Im Galopp in Richtung Zukunft

04.07.2022 CJD Hohenleuben « zur Übersicht

Mia, 16 Jahre alt und hoch zu Ross, strahlt über das ganze Gesicht. Kein Wunder, denn sie nimmt regelmäßig an einem ganz besonderen Einzelpädagogischen Angebot vom CJD Heinrichstift Hohenleuben teil – dem Reiten. Begleitet wird sie dabei von der Pädagogin Lisa Obenauf. Sie arbeitet seit zwei Jahren im CJD Hohenleuben und ist begeisterte Reiterin und Pferdebesitzerin. Sie macht derzeit eine Ausbildung zur Erlebnispädagogin und so kam es auch zu dieser tierisch guten Idee.

„Ich arbeite gern mit Tieren und Jugendlichen. Und ich konnte schon oft den positiven Effekt der Tier-Mensch-Beziehung beobachten. Mein Pferd Belina ist die perfekte Besetzung für das Angebot, denn sie ist sensibel und sanftmütig. Die Stute hat außerdem unglaublich viel Geduld, vor allem mit Kindern, Jugendlichen und unsicheren Reiter*innen und agiert sehr umsichtig“, schwärmt die angehende Erlebnispädagogin.

Seit etwa einem Jahr dürfen Jugendliche das Einzelpädagogische Angebot im CJD Hohenleuben genießen. Doch wer denkt, es handelt sich dabei um ein paar entspannte Reitstunden, der hat sich getäuscht. Die Begegnung mit der Hannoveraner-Stute setzt ein gewisses Maß an Zuverlässigkeit und Geduld bei den Jugendlichen voraus. Alles dreht sich in der gemeinsamen Zeit auf der Ranch um die sanfte Stute Belina und den jungen Menschen. „Prinzipiell steht das Reiten nicht im Vordergrund, ich beginne gern damit, dass sich die beiden gegenseitig kennenlernen, gemeinsame intensive Zeit miteinander verbringen: Putzen, Schmusen und Spaziergänge. Reiten findet erst statt, wenn die Basis dafür geschaffen wurde“, erklärt Lisa Obenauf.

Die Begegnung mit dem sanften Vierbeiner stellt ein optimales Feld für Erlebnisse dar, denn Aktivitäten um, mit und auf dem Pferd sprechen den ganzen Menschen an, wecken seine Emotionen und geben Raum für Nähe, Geborgenheit aber auch Abenteuer.

Mia lebt im CJD Heinrichstift Hohenleuben und nimmt schon seit 1,5 Jahren an dem Angebot teil. Die junge Reiterin hat bereits alle Stufen der Annäherung mit der braunen Stute durchlaufen. Sie übernimmt mittlerweile alle Aufgaben, die anfallen und zum Reiten dazugehören.

Das Angebot beginnt damit, dass Mia das Hannoveraner-Stute von der Koppel holt. Dabei muss sie auf viele Dinge achten. Dazu gehört zum Beispiel, den Zaun hinter sich zu schließen und das Halfter ordnungsgemäß aufzuziehen.

Als nächstes führt Mia das Pferd zum Putzplatz, bindet es dort an und putzt alle wichtigen Stellen gründlich. Dabei achtet sie darauf, dass sie das richtige Putzzeug verwendet und in einer sicheren Position zum Pferd steht. Beim Satteln und Zäumen beachtet Mia ebenfalls die sachgerechte Anwendung.

Mia und Belina sind mittlerweile ein eingespieltes Team und das junge Mädchen beweist beim Aufsteigen auf die Stute eine große Portion Mut, denn ohne im Gleichgewicht zu sein, wird es schwer.

Beim anschließenden Reiten geht es vor allem um Körpersprache. Mia lernt dabei, auf sich selbst zu hören. Sie muss ihren Körper gezielt einsetzen, um beim Pferd das gewünschte Verhalten zu erzielen. Hier hat Mia die größten Erfolgserlebnisse.

In der Nachbereitung achtet Pädagogin Lisa Obenauf besonders darauf, dass Mia nicht die Lust verliert, denn nach dem Reiten muss das Pferd versorgt werden. So lernt die Jugendliche, Verantwortung zu übernehmen und ihre Bedürfnisse hinter die des Pferdes zu stellen.

Das Einzelpädagogische Angebot ist durch das „sich Zeit nehmen“ genau auf jeden einzelnen Jugendlichen zugeschnitten, was alle Beteiligten sehr genießen. Der Umgang mit großen Tieren, wie Belina, fördert das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen und verbessert außerdem die Selbstwahrnehmung. Dies geschieht vor allem in den Übungs-Sequenzen, in denen die jungen Reiter*innen spüren, dass sie das Pferd durch kleine Veränderungen der Körpersprache in Bewegung bringen. „Ich bin richtig stolz, wenn Belina das macht, was ich von ihr verlange.“, resümiert die 16-Jährige.

Jugendliche, die dieses Angebot wahrnehmen, werden ganzheitlich körperlich, emotional und sozial angesprochen. Sie bilden ein Team mit dem Pferd und die gesteckten Ziele können beide nur gemeinsam erreichen. Mit ihrem sanften Gemüt wirken Pferde positiv beruhigend auf Jugendliche mit schweren emotionalen Problemen ein.

Lisa Obenauf weiß gar nicht wo sie anfangen soll, wenn es um die positiven Ergebnisse ihrer Arbeit geht: „Besonders fasziniert bin ich davon, dass Mia unglaublich schnell an Selbstbewusstsein gewonnen hat. Anfangs war sie im Umgang mit dem Pferd noch unsicher, was dazu führte, dass die Stute immer wieder stehen blieb und sich nach leckeren Grashalmen umsah. Schnell hat Mia gelernt, auf Belinas Körpersprache zu reagieren und sie weiter am Strick mitzunehmen. Und Belina reagierte auf die Wünsche. Mia strahlte über das ganze Gesicht und ging mit stolz geschwellter Brust voran. Stolz auf sich, dass sie so ein großes Tier im Griff hat. Für mich war diese Situation ein besonders tolles Erlebnis.“

Besonders wichtig bei diesem besonderen pädagogischen Angebot ist, dass Jugendliche wie Mia Freude und Erfolgserlebnisse beim Umgang haben, die sie stärken und in anderen Situationen tragen können. Für Mia sieht es auch nach vielen Pferde-Stunden ganz danach aus.